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Lebensphasen

Angstphasen bei Welpen und Kätzchen: Ein Leitfaden für Tierbesitzer

Verstehen Sie die kritischen Angstphasen bei Welpen und Kätzchen. Erfahren Sie, wie Sie traumatische Abdrücke vermeiden und die „Jolly Routine“ richtig anwenden.

Kylosi Editorial Team

Kylosi Editorial Team

Pet Care & Animal Wellness

26. Dez. 2025
6 Min. Lesezeit
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Entzückender Golden Retriever Welpe und verspieltes getigertes Kätzchen in einer geteilten Ansicht mit warmem, weichem Licht.

Herzlichen Glückwunsch zum neuen Familienmitglied! Der Einzug eines jungen Haustieres ist eine Zeit voller Freude, aber auch eine Phase großer biologischer Umbrüche. Viele Besitzer bemerken plötzlich, dass ihr eigentlich mutiger Begleiter vor alltäglichen Dingen wie einer REWE-Einkaufstüte oder dem Staubsauger von MediaMarkt zurückweicht. Diese plötzliche Unsicherheit ist meist kein Charakterfehler, sondern deutet auf die sogenannten Angstphasen bei Welpen und Kätzchen hin. In diesen sensiblen biologischen Fenstern ist das Gehirn besonders empfänglich für negative Reize. Wenn wir als Besitzer in diesen Momenten falsch reagieren – etwa durch übermäßiges Trösten oder Zwang – riskieren wir, dass sich eine vorübergehende Vorsicht in eine lebenslange Phobie verwandelt. In diesem Artikel lernen Sie, wie Sie diese Phasen erkennen und Ihr Tier souverän durch die „Fremdelphasen“ führen.

Die Biologie der Furcht: Wann treten Angstphasen auf?

Angstphasen sind fest im genetischen Code unserer Haustiere verankert. Bei Hunden unterscheiden Experten meist zwei Hauptphasen: Die erste findet etwa zwischen der 8. und 10. Lebenswoche statt, oft genau dann, wenn der Welpe in sein neues Zuhause zieht. Die zweite, oft schwierigere Phase, tritt in der Pubertät auf, meist zwischen dem 6. und 14. Lebensmonat. In dieser Zeit findet im Gehirn ein massiver Umbau statt, der dazu führt, dass bereits bekannte Objekte plötzlich als bedrohlich eingestuft werden.

Kätzchen haben ein wesentlich kürzeres Zeitfenster für die primäre Sozialisierung, das oft schon in der 7. Lebenswoche endet. Dennoch erleben auch sie im Alter von etwa 4 bis 9 Monaten Schübe von Unsicherheit. Während dieser Zeit ist die Amygdala – das Angstzentrum im Gehirn – hyperaktiv. Ein negatives Erlebnis, wie ein lautes Herunterfallen einer OBI-Leiter oder ein bedrohlicher Schatten, kann sich tief einprägen. Es ist wichtig zu verstehen, dass dies kein Fehlverhalten Ihres Tieres ist, sondern ein Schutzmechanismus der Natur, der in der Wildnis das Überleben sichern würde.

Golden Retriever Welpe beobachtet eine weiße Plastiktüte, die über einen Parkweg weht.

Erkennen vs. Erschrecken: Die Symptome deuten

Wie unterscheidet man eine normale Schrecksekunde von einer echten Angstphase? Ein Tier in einer Angstphase zeigt oft eine „Generalisierung“. Das bedeutet, nicht nur ein spezifisches Geräusch macht Angst, sondern die gesamte Umgebung wird mit Argwohn betrachtet. Achten Sie auf Körpersignale: Eine geduckte Haltung, angelegte Ohren bei der Katze oder das Meiden von Blickkontakt beim Hund sind deutliche Zeichen.

Ein klassisches Beispiel aus dem Alltag in Deutschland: Sie gehen an einem Altglascontainer vorbei, den Ihr Hund bisher ignoriert hat. Plötzlich erstarrt er, fixiert den Container und lässt sich kaum zum Weitergehen bewegen. Hier zeigt sich die Reaktivität der Angstphase. Bei Kätzchen äußert sich dies oft durch plötzliches Verschwinden unter das Bett, sobald Gäste kommen, selbst wenn die Katze zuvor zutraulich war. Der Schlüssel liegt darin, diese Momente nicht zu bewerten, sondern als temporären Zustand zu akzeptieren, der eine angepasste Führung erfordert.

Ein süßes orangefarbenes getigertes Kätzchen, das hinter einem beigen Sofakissen in einem gemütlichen Wohnzimmer hervorschaut.

Die Jolly Routine: Handeln statt Coddling

Der größte Fehler, den Tierbesitzer machen, ist das sogenannte „Coddling“ – also das übermäßige Trösten. Wenn Sie Ihren Hund mit hoher, mitleidiger Stimme („Oh, du Armer, hast du Angst?“) streicheln, bestätigen Sie ihm in seiner Wahrnehmung, dass die Situation tatsächlich gefährlich ist. Stattdessen empfehlen Verhaltensexperten die „Jolly Routine“ (Fröhliche Routine).

Bei der Jolly Routine reagieren Sie auf das gruselige Objekt mit demonstrativer Gelassenheit und Fröhlichkeit. Wenn Ihr Welpe Angst vor einem geparkten EDEKA-Lieferwagen hat, fangen Sie an, in ein paar Metern Entfernung fröhlich mit einem Spielzeug zu spielen oder tun Sie so, als würden Sie etwas extrem Interessantes am Boden finden. Lachen Sie leicht, bewegen Sie sich locker. Ihre Körpersprache signalisiert dem Tier: „Ich sehe das Ding da auch, aber es ist absolut harmlos, sogar lustig.“ Sobald Ihr Tier sich entspannt oder sogar einen Schritt auf das Objekt zumacht, erfolgt die Belohnung. Dies fördert die Resilienz und lehrt das Tier, sich an Ihrer emotionalen Stabilität zu orientieren.

Eine lächelnde Frau mit lockigem Haar spielt mit einem Golden Retriever Welpen in einem sonnigen Garten mit einem bunten Seilspielzeug.

Fehler vermeiden und Traumata verhindern

In einer Angstphase ist „Flooding“ (Überflutung) kontraproduktiv. Zwingen Sie Ihr Tier niemals, direkt an das Angstobjekt heranzutreten oder es zu berühren. Wenn ein Welpe Angst vor der Rolltreppe im Kaufhaus oder dem Lärm bei DM hat, führt das Erzwingen der Konfrontation oft zu einer massiven Verschlimmerung (Sensibilisierung). Das Ziel ist die Desensibilisierung in kleinen Schritten.

Halten Sie genügend Abstand, sodass das Tier das Objekt zwar wahrnimmt, aber noch ansprechbar bleibt (die sogenannte Reizschwelle). Wenn Sie merken, dass Ihr Tier völlig blockiert, brechen Sie die Situation ruhig ab und wählen Sie beim nächsten Mal eine größere Distanz. Ein einzelnes, extrem negatives Erlebnis in dieser Phase kann ausreichen, um eine lebenslange Angststörung zu manifestieren. Seien Sie besonders vorsichtig mit Begegnungen an der Leine und vermeiden Sie in diesen Wochen unnötigen Stress wie große Stadtfeste oder laute Baustellen, sofern Ihr Tier Anzeichen von Überforderung zeigt.

Frau im beigen Pullover geht mit einem Golden Retriever Welpen an der Leine auf einer Baustelle mit orangefarbenen Leitkegeln spazieren

Fehlersuche: Wenn die Angst bleibt

Was tun, wenn die Angstphase scheinbar nicht endet? Zunächst sollten Sie gesundheitliche Ursachen ausschließen. Schmerzen oder hormonelle Ungleichgewichte können die Ängstlichkeit verstärken. Wenn Ihr Hund oder Ihre Katze auch nach mehreren Wochen keine Besserung zeigt oder die Angst sich auf immer mehr Bereiche ausweitet, ist es Zeit für professionelle Hilfe.

Suchen Sie sich einen Trainer oder Verhaltensberater, der mit positiver Verstärkung arbeitet und das Konzept der Deprivationsschäden sowie der Entwicklungsphasen versteht. In Deutschland bieten viele Hundeschulen spezielle „Angsthunde-Kurse“ oder Einzelstunden an. Ein häufiges Problem ist auch die unbewusste Übertragung der eigenen Anspannung. Wenn Sie bereits die Leine fester greifen, weil Sie wissen, dass Ihr Hund gleich vor dem Nachbarshund erschrickt, spürt das Tier Ihre Anspannung über die Leine (Leinenaggression aus Angst). Atmen Sie tief durch, lockern Sie die Schultern und bleiben Sie der sichere Hafen für Ihr Tier.

Junge Frau sitzt im Schneidersitz auf einem Teppich und trainiert einen kleinen braunen Welpen bei sanftem Licht.

FAQ

Wie lange dauert eine Angstphase bei Welpen?

Eine typische Angstphase dauert meistens zwischen zwei und vier Wochen. Es handelt sich um ein biologisches Fenster, das sich so schnell schließt, wie es sich geöffnet hat, sofern keine traumatischen Erlebnisse stattfinden.

Soll ich meinen Hund ignorieren, wenn er Angst hat?

Nein, völliges Ignorieren kann das Tier verunsichern. Seien Sie präsent und strahlen Sie Ruhe aus. Die „Jolly Routine“ ist besser als Ignorieren: Zeigen Sie durch Ihr Verhalten aktiv, dass alles in Ordnung ist, ohne das Tier durch Mitleid zu bestätigen.

Können Kätzchen auch solche Phasen haben?

Ja, auch wenn die Sozialisierungsphase bei Katzen viel früher (bis ca. 7. Woche) stattfindet, zeigen viele Jungkatzen während der Pubertät (4.-9. Monat) erneute Unsicherheiten gegenüber Fremden oder neuen Geräuschen.

Hilft ein Beruhigungsmittel in dieser Zeit?

In der Regel ist Training und Geduld der richtige Weg. Nur bei extremen Panikreaktionen sollte in Absprache mit einem Tierarzt über natürliche Hilfsmittel wie Pheromone (z.B. Feliway oder Adaptil) nachgedacht werden.

Fazit

Die Angstphasen bei Welpen und Kätzchen sind eine Herausforderung, aber auch eine Chance, die Bindung zu Ihrem Tier zu stärken. Indem Sie als souveräner Anführer auftreten, der weder straft noch bemitleidet, geben Sie Ihrem Begleiter die nötige Sicherheit. Denken Sie daran: Geduld ist in diesen Wochen Ihr wichtigstes Werkzeug. Mit der „Jolly Routine“ und einem scharfen Auge für die Körpersprache Ihres Tieres werden Sie diese Phasen meistern. Sollten Sie jedoch merken, dass die Angst das tägliche Leben massiv einschränkt, zögern Sie nicht, eine qualifizierte Hundeschule oder einen Katzenverhaltensberater aufzusuchen. Sicherheit geht immer vor – sowohl physisch als auch emotional.

Quellen & Referenzen

Dieser Artikel wurde unter Verwendung der folgenden Quellen recherchiert: