Wer im Fressnapf oder bei Qualipet vor dem Regal steht, sucht meist nach einem Merkmal: Fleisch an erster Stelle. Viele Schweizer Hunde- und Katzenbesitzer vertrauen darauf, dass die erste Zutat auf der Deklaration auch den Hauptbestandteil des Futters ausmacht. Doch genau hier setzen Marketing-Experten oft eine rechtliche Grauzone ein, das sogenannte Ingredient Splitting. Bei dieser Taktik werden minderwertige Füllstoffe in verschiedene Untergruppen aufgeteilt, damit sie auf der Liste weiter nach hinten rücken. In diesem Artikel decken wir auf, wie Ingredient Splitting funktioniert, warum Fleisch oft gar nicht die Hauptkomponente ist und wie Sie die wahren Inhaltsstoffe in der täglichen Fütterung Ihres Tieres entlarven können. Ziel ist es, Ihnen die nötige Expertise zu vermitteln, damit Sie im Schweizer Detailhandel nicht auf Werbeversprechen hereinfallen, sondern die tatsächliche Qualität des Futters objektiv bewerten können.
Was ist Ingredient Splitting und wie funktioniert es?
Ingredient Splitting ist eine Methode, bei der eine einzige Zutat (oft ein billiger Füllstoff wie Mais oder Erbsen) in mehrere verschiedene Namen aufgeteilt wird. Da die Zutatenliste nach Gewicht in absteigender Reihenfolge sortiert sein muss, bewirkt diese Aufteilung, dass jede einzelne Unterkomponente ein geringeres Gewicht aufweist als die Hauptzutat Fleisch.
Stellen Sie sich vor, ein Futter besteht zu 25 % aus Huhn und zu 40 % aus Mais. Normalerweise müsste Mais an erster Stelle stehen. Teilt der Hersteller den Mais jedoch auf in Maiskleber (15 %), Maismehl (15 %) und Vollkornmais (10 %), erscheint plötzlich das Huhn mit seinen 25 % als die wichtigste Zutat ganz oben. In der Schweiz ist diese Praxis legal, solange die Bezeichnungen den Futtermittelverordnungen entsprechen.
Für den Verbraucher entsteht so die Illusion eines fleischreichen Produkts, während das Tier in Wahrheit eine getreidelastige Mahlzeit erhält. Besonders bei teuren Premium-Marken wird dieser Trick häufig angewandt, um den hohen Preis (in CHF) zu rechtfertigen.

Die Mathematik der Rekombination: So rechnen Sie richtig
Um die Wahrheit über ein Futter herauszufinden, müssen Sie die gesplitteten Zutaten im Kopf wieder zusammensetzen. Achten Sie auf Gruppen von ähnlichen Inhaltsstoffen. Wenn Sie Begriffe wie Erbsenstärke, Erbsenprotein und Erbsenfasern lesen, sollten Sie hellhörig werden. Diese stammen alle von derselben Pflanze ab.
In der Praxis bedeutet das: Addieren Sie die Prozentsätze (falls angegeben) oder die Positionen dieser Zutaten. Wenn drei verschiedene Weizenprodukte unter den ersten fünf Zutaten auftauchen, ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass Weizen das eigentliche Hauptnahrungsmittel in diesem Sack ist.
Ein weiterer Aspekt ist der Feuchtigkeitsgehalt. Frisches Fleisch besteht zu etwa 75 % aus Wasser. Nach dem Extrusionsprozess bei der Trockenfutterherstellung bleibt davon nur ein Bruchteil übrig. Wenn also 'Frisches Huhn' an erster Stelle steht, bezieht sich das Gewicht auf den Zustand vor der Trocknung. Getrocknete Füllstoffe wie Maismehl wiegen jedoch von vornherein wenig und enthalten kaum Wasser – ihr Anteil im fertigen Pellet ist daher oft massiv höher als der des Fleisches.

Häufige Tarnnamen für billige Füllstoffe
Hersteller nutzen eine Vielzahl von Begriffen, um Ingredient Splitting zu verschleiern. Besonders häufig betrifft dies Kohlenhydratquellen. In der Schweiz finden wir auf Etiketten oft Begriffe, die für den Laien gesund klingen, aber letztlich nur Füllstoffe sind.
Typische Beispiele für Splitting sind:
- Reis: Reisstärke, Reismehl, Reiskleie, Bruchreis.
- Mais: Maisfuttermehl, Maiskleber, modifizierte Maisstärke.
- Kartoffel: Kartoffelprotein, Kartoffelstärke, Kartoffelfasern.
- Sojabohnen: Sojamehl, Sojaproteinisolat, Sojaschalen.
Ein hochwertiges Futter zeichnet sich dadurch aus, dass es solche Spielchen nicht nötig hat. Es deklariert die Zutaten offen und ehrlich. Achten Sie auf die 'geschlossene' vs. 'offene' Deklaration. Bei der geschlossenen Deklaration werden Gruppen wie 'Getreide und pflanzliche Nebenerzeugnisse' zusammengefasst, was es fast unmöglich macht, Ingredient Splitting überhaupt zu erkennen. Suchen Sie nach Herstellern, die jede Zutat einzeln und mit Prozentangabe auflisten.

Troubleshooting: Wenn das Futter trotz 'gutem' Etikett Probleme macht
Manchmal sieht ein Etikett nach der Rekombination der Zutaten immer noch akzeptabel aus, aber Ihr Tier zeigt Symptome wie Juckreiz, Blähungen oder weichen Kot. Dies kann ein Zeichen dafür sein, dass die Qualität der Rohstoffe trotz korrekter Benennung minderwertig ist. In der Schweiz unterliegt Tierfutter strengen Kontrollen, doch 'Fleischmehl' ist nicht gleich 'Fleischmehl'.
Warnsignale für eine falsche Fütterung:
- Stumpfes Fell und übermäßiges Haaren.
- Große Kotmengen (ein Zeichen für schlechte Verwertbarkeit).
- Ständiges Kratzen ohne Parasitenbefall.
Sollten diese Probleme auftreten, obwohl Sie ein Futter mit 'Fleisch an erster Stelle' gewählt haben, liegt es oft an der biologischen Wertigkeit der Proteine oder an versteckten Zusatzstoffen, die nicht deklarationspflichtig sind. In solchen Fällen ist es ratsam, auf eine Reinfleischdose mit einer klar definierten Kohlenhydratquelle umzusteigen, um das Ausschlussprinzip anzuwenden. Wenn sich die Symptome nicht innerhalb von zwei Wochen bessern, sollten Sie unbedingt eine tierärztliche Ernährungsberatung in Anspruch nehmen.

FAQ
Ist Ingredient Splitting illegal?
Nein, Ingredient Splitting ist in der Schweiz und in der EU legal. Die Hersteller müssen sich lediglich an die offiziellen Bezeichnungen des Futtermittelkatalogs halten, was ihnen erlaubt, verschiedene Verarbeitungsstufen einer Zutat separat aufzulisten.
Wie erkenne ich ein wirklich hochwertiges Futter?
Ein hochwertiges Futter nutzt eine offene Deklaration mit genauen Prozentangaben für jede Zutat. Zudem sollte Fleisch in getrockneter Form (z. B. Hühnertrockenfleisch) an erster Stelle stehen, um den Wasserverlust bei der Berechnung bereits zu berücksichtigen.
Warum verwenden Hersteller überhaupt Füllstoffe wie Mais?
Mais und andere Getreidesorten sind deutlich günstiger als Fleischproteine. Sie dienen als Kalorienquelle und helfen bei der Formgebung der Pellets (Extrusion), bieten jedoch oft eine geringere Nährstoffdichte für Fleischfresser.
Fazit
Das Verständnis von Ingredient Splitting ist eine der wichtigsten Fähigkeiten für verantwortungsbewusste Tierhalter. Lassen Sie sich nicht von der prominenten Platzierung von Fleisch auf dem Etikett täuschen. Durch das kritische Hinterfragen der Zutatenliste und das gedankliche Zusammenführen gesplitteter Komponenten erhalten Sie ein klares Bild davon, wofür Sie Ihr Geld in Schweizer Fachgeschäften ausgeben. Ein gesundes Tier beginnt bei einer ehrlichen Ernährung. Sollten Sie unsicher sein, ob die aktuelle Ernährung Ihres Haustieres optimal ist oder zeigt Ihr Tier bereits gesundheitliche Auffälligkeiten, konsultieren Sie bitte einen spezialisierten Tierarzt oder einen zertifizierten Ernährungsberater für Haustiere. Sicherheit und Wohlbefinden Ihres Tieres sollten immer an erster Stelle stehen, weit vor jedem Marketingversprechen.
Quellen & Referenzen
Dieser Artikel wurde mithilfe der folgenden Quellen recherchiert:

